Thüringer Museum: Schnitzplastiken auf der Suche nach Paten

In der Predigerkirche kommen die Besucher der Ausstellung «Mittelalterliche Kunst in Thüringen» auch zu einer Vitrine mit versammelten Schnitzfiguren, die eines gemeinsam haben: Sie müssen erst restauriert werden, bevor sie in der Ausstellung in würdiger Form präsentiert werden können. Auf diesen Umstand machen die Heiligen-Skulpturen selbst in der Vitrine die Gäste aufmerksam.

Martin Maultzsch, Inhaber des Auktionshauses Ludowinger in Eisenach, wurde auf diese Weise von der «Madonna aus Köthnitz» angesprochen. Die Schnitzplastik wurde um 1430 geschaffen. Martin Maultzsch schritt zur Tat und wurde Pate, in dem er die Restaurierung finanzierte.

Die Restaurierungsarbeiten an der Madonna übernahm die Erfurter Restauratorin Christine Machate. Sie festigte die Oberfläche der Skulptur, reinigte die Fassung und den Farbauftrag. Zudem wurden in der Fassung vorhandenen Fehlstellen eingetönt.

Im Frühjahr 2012 wird die restaurierte Figur der «Madonna aus Köthnitz» wieder in der Predigerkirche zu sehen sein und gibt dann über ihre 580jährige Geschichte Auskunft:

Die Figur misst 45 Zentimeter und steht auf einem würfelförmigen Sockel, an dem noch die Reste des Wortes «Ave» zu erkennen sind. Damit beginnt die Anrufung Mariens «Ave Maria Gratia Plena» (Gegrüßt Seiest Du Maria, Du Gnadenvolle). Jedem Christen ist das «Ave Maria» vertraut. Demnach wurde diese Madonna als Andachtsfigur in Auftrag gegeben. Ihr wurde ein bestimmter Platz im Kirchenraum zugewiesen, wo die Gläubigen an sie herantreten konnten, um die Fürbitte Mariens bei Gott zu erflehen und sich so ihrer Sorgen und Nöte zu entledigen.

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Die Madonna wird umhüllt von einem weißen Mantel mit blauem Innenfutter. Weiß symbolisiert Makellosigkeit und die Reinheit Mariens, die Farbe Blau war kostbar und den Heiligen vorbehalten. Ein helles Tuch bedeckt die Schultern. Ihre Gewandung verrät den Stil der Zeit, als die Figur entstand. Das rote Unterkleid trägt sie im Brustbereich hochgeschlossen, die Falten reichen bis zum Boden. Nur die Spitze ihres Schuhs lugt hervor. Sie trägt das Jesukind – allerdings fehlen der Oberkörper des Kindes und die das Kind tragende rechte Hand. Das Haar trägt sie offen. Sie wird als eine unverheiratete junge Frau gezeigt. Die feineren Elemente einer ehemals silberfarbenen Krone sind verloren. Die Gottesmutter wurde auch als Himmelskönigin geschaffen.

Die Kirche des Ortes Köthnitz stammt der Überlieferung nach aus dem 14. Jahrhundert. Als die Madonna entstand, wurde der Ort bei Schleiz noch Chotizi genannt. Einige Jahre später, 1454, wandelte sich der slawische Namen in Kotenitz. Ab 1528 sprach man von Köttenitz.
Die Figur der «Madonna aus Köthnitz» hat auch in jüngerer Vergangenheit eine interessante Biografie:
Ende des 19. Jahrhunderts wurden im Auftrag des Großherzogs von Sachsen-Weimar und Eisenach Kunst- und Kulturdenkmäler in seinem Territorium inventarisiert. Dabei wurden auf dem Dachboden der Kirche in Köthnitz mehrere mittelalterliche Holzskulpturen gefunden, die vom Holzwurm befallen waren. Das 1897 publizierte Inventarverzeichnis erwähnt eine teilweise Übermalung der Madonna, der Kopf des Kindes wurde als plump bezeichnet. Eventuell war zuvor der Kinderkörper ergänzt worden. Die älteste damals inventarisierte Figur stellte den Thronenden Bischof dar – er wird auf 1300 datiert.

In den 1930er Jahren wurde die «Madonna aus Köthnitz» vom Thüringer Museum Eisenach erworben und in der Predigerkirche ausgestellt, dem Ausstellungsort für mittelalterliche Kunst. Neben der Madonna stammen noch zwei weitere Figuren aus Köthnitz: Der «Thronende Bischof» und der «Heilige Sebastian» kamen 1938 als Leihstücke zur Sammlung.

Wenn im Frühjahr 2012 die «Madonna von Köthnitz» wieder in die Predigerkirche zurückkehren wird, warten noch weitere Schnitzfiguren aus dem mittelalterlichen Thüringen in der Vitrine, bis ein Pate vorbeikommt und ihre Geschichte vernimmt.

Die Ausstellung «Mittelalterliche Kunst in Thüringen» des Thüringer Museums wird in der Predigerkirche präsentiert und hat dienstags bis sonntags von 11 Uhr bis 17 Uhr geöffnet.

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