«Orpheus im Mönchsgewand»

«Luther und [Bachs] Musik» ist der Titel einer Sonderausstellung, die am 25. Februar im Bachhaus Eisenach beginnt. Sie widmet sich den musikalischen Leistungen des Reformators, den sein katholischer Intimfeind Johann Cochlaeus einst als «Orpheus im Mönchsgewand» verspottete. Hörbar gemacht werden Luthers Liederfindungen in der Gestalt, die ihnen Johann Sebastian Bach gab.

Luthers Beitrag zur Musikgeschichte:
Kein anderer Reformer setzte so konsequent auf die Macht der Musik zur Propagierung seiner Lehre und zur Erneuerung des Gottesdienstes.
«Luthers Lieder haben mehr Seelen verdorben als seine Schriften und Reden», konstatierte 1620 der Jesuit Adam Contzen. Einen zentralen Platz in der Ausstellung nehmen Luthers Kirchenlieder ein, die zunächst in Form von Flugblättern die Ideen der Reformation in alle Welt trugen. Luthers Verhältnis zur hergebrachten lateinischen Kirchenmusik wird ebenso beleuchtet wie die Frage, welche der Liedmelodien tatsächlich von Luther selbst stammen.

«Ich liebe die Musik»:
Das ist nicht nur ein ganz persönliches Bekenntnis Luthers, sondern auch seine Überschrift für ein geplantes Traktat zur Theologie der Musik, das Luther leider nur skizzierte und nicht vollendete. Für Luther war die Musik ein Gottesgeschenk, ja «nach Gottes Wort der höchste Schatz auf Erden». Der Grund für Luthers Wertschätzung war die enge Verbindung, in der für ihn Wort und Musik standen: «Die Noten machen den Text lebendig». Das Wort versteht der Verstand, das Lied verbindet das Wort mit dem Gefühl und lässt es so die Herzen erreichen. Die persönliche Musikliebe des Lautenspielers, begeisterten Sängers und gelegentlichen Motettenkomponisten Luther ist natürlich ebenfalls ein Thema.

Gesangbücher I:
Das Gesangbuch ist die vielleicht schönste Erfindung der Reformation. Ausgestellt wird das erste deutsche Gesangbuch überhaupt, das Anfang 1524 gedruckte «Achtliederbuch» (Leihgabe Landesbibliothek Coburg). Ihm schließt sich das «Erfurter Enchiridion» an, das erste Thüringische Gesangbuch, das in einer Auflage von 1527 zu sehen sein wird (Staats- u. Universitätsbibliothek Dresden). Luther griff ab 1529 in die ausufernden Gesangbuchdrucke ein und gab das «Wittenberger Gesangbuch» heraus, das in der Auflage von 1535 ausgestellt wird – die Ausgabe, in der zum ersten Mal Luthers Weihnachtslied «Vom Himmel hoch, da komm ich her» gedruckt steht (Bayrische Staats-Bibliothek). Das «Babstsche» von 1545 ist das letzte, besonders prachtvolle der von Luther herausgegebenen Gesangbücher. Es wurde im Druck von 1563 für die Ausstellung erworben.

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Eisenach – Ort Luthers und Bachs:
Eisenach ist der Ort, in dem sich die Spuren Luthers und Bachs auf sonderbarste Weise kreuzen. «Ich bin dort bekannt und geachtet selbst heute, und es gibt keine Stadt, in der ich bekannter bin», schrieb Luther. Beide, Luther und Bach, erhielten hier vier Jahre lang in der gleichen Schule ihren ersten Musikunterricht und sangen in der gleichen Kirche.
Die Stadt Eisenach stellt aus ihrem Archiv das Eisenacher Kantorenbuch von ca. 1540 für die Ausstellung zur Verfügung, ein wahrer Schatz: Es enthält frühe handschriftliche Kopien von Kompositionen von Luthers Vertrautem Johann Walter, dem Münchner Komponisten Ludwig Senfl (mit dem Luther über Motetten korrespondierte), und Josquin Desprez, den Luther lebenslang bewunderte und von dem er sagte: «Josquin ist der Noten Meister». Aus ihm sang bis ca. 1640 der Chor der Georgenkirche.

Gesangbücher II:
Bach hat wenigstens 30 der 37 Lieder Luthers vertont. Er kannte sie und ihre Melodien aus den Gesangbüchern seiner musikalischen Wirkungsstätten. Vier wertvolle Notengesangbücher der Bachzeit werden ausgestellt:
Das von Melchior Vulpius (1609), das aus dem Besitz der Bach-Familie stammt, das Leipziger Gesangbuch von Gottfried Vopelius (1682), das Dreßdnische Gesangbuch von 1707 und das Weißenfelsische Gesangbuch von 1714 – Bach war ab 1729 Weißenfelsischer Hofkapellmeister «von Hause aus». Die beiden zuletzt genannten Gesangbücher sind erstmalig im Bachhaus ausgestellt.

Musik:
Die Ausstellung gliedert sich um acht Hörstationen, an der jeweils von Luther gedichtete und komponierte Lieder in mindestens einer Bachschen Fassung angehört werden können. Erläuterungen machen deutlich, wie Bach bis in kleinste Details bemüht war, den theologischen Aussagen von Luthers Texten musikalischen Ausdruck zu verleihen.

Die Ausstellung im Bachhaus wurde gefördert vom Beauftragten der Thüringer Landesregierung zur Vorbereitung des Reformationsjubiläums „Luther 2017“.

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